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Das Gegenteil des Helikoptervaters: Der Leuchtturmdaddy

Autor Mate Tabula sieht sich nicht als Helikoptervater, der ständig besorgt um seine Kinder herumschwirren muss. Eher als das Gegenteil: als Leuchtturmdaddy.

Zweijährige Kinder sind sehr sensibel, aber meine zweijährige Tochter ist noch mehr als das. Mega, wie die hippen Leute sagen würden. 

Neulich hat sie geweint, als ein Mechaniker unser Auto aus der Einfahrt weggefahren hat, um es zu reparieren, nachdem ein Marder den Schlauch des Kühlers angeknabbert hatte. 
„Nein, nicht Mann Auto weg fahren. Halte ihn auf, Papa. Mein Sitz und der meiner Schwester, neiiinnn.“ 

Die Große dagegen hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. 
„Cool, wir haben ein neues Auto“, hat sie gesagt, als sie den schicken Mietwagen gesehen hat. „Lass uns gleich damit zum See. Ja, Papa?“ Sie hat erst geweint, als gestern der schicke neue Mietwagen gegen unseren alten Skoda getauscht wurde. 

Ich erinnere mich, als die Große in die Spielgruppe gekommen ist. Schon am ersten Tag hat sie zu mir gemeint:„Papa, ich komm hier klar. Geh jetzt und grüß die Mama.“ Das war nach zwei Minuten. 

 

Nicht ohne meinen Vater

Seit kurzem geht auch die Kleine in die Spielgruppe - montags und mittwochs. In der Eingewöhnungszeit, während der ich dabei war, hat sie ständig geweint - morgens, mittags und zwischendurch  

In der Früh, wenn ich sie fertig machte für die Spielgruppe, sagte sie, dass sie da nicht hin wolle - vor allem nicht mit dem Mietwagen und ohne mich. Sie will am liebsten mit unserer alten verbeulten, vom verfluchten Marder zerbissenen Kiste zum See, um dort Sandkuchen zu backen. Mit mir.  

„Das ist ganz normal“, hat die Spielgruppenleiterin zu mir gesagt, als ich gefragt habe, ob das normal sei. „Das gibt sich mit der Zeit. Vertrauen sie uns und lassen sie los, Herr Tabula.“ 

Das brauchte sie mir nicht zweimal sagen. Ich bin ein Experte in Sachen Loslassen und wirklich keiner von diesen Helikoptervätern, die ständig um die eigenen Kinder propellern. Ja, soll es auch geben. 

 

In der Ferne doch ganz nah 

Ich sehe mich mehr so als Leuchtturmdaddy. Aus leichter Ferne leuchte ich meinen Mädels den Weg und warne sie rechtzeitig, damit sie gegen keine Gefahren stoßen. Ansonsten dürfen sie einfach drauf los segeln. 

Für die Große ist das perfekt. Die Kleine jedoch ist ein Helikopterkind. Sie kreist gern um mich herum, klammert sich an eines meiner Rotorbeine und verlässt nur unter größtem Widerstand das Cockpit, um in einen fremden Flieger zu steigen, damit sie ein fremder Pilot übergangsweise sicher durchs Leben steuert. 

Weil ich darum weiß, gehe ich darauf ein. Also habe ich, nachdem meine Kleine das erste Mal den Vormittag in der Spielgruppe ganz alleine verbracht hatte und weil sie während des Abschieds weinte, als ob ich gleich nach Australien auswandern würde, die Spielgruppenleiterin gefragt, wie es denn lief, heute.  

 

Heute leider ohne Feedback

Da sagte diese zu mir: „Jetzt seien sie mal nicht so ein Helikoptervater, Herr Tabula. Ich gebe jetzt nicht jedes Mal nach der Spielgruppe ausführlich Feedback zu jedem Kind.“ 

Wow. Das haute mich kurz komplett aus der Umlaufbahn. Ich hatte diese Frau für sehr sympathisch gehalten, aber jetzt merkte ich, dass mich ihr falsches Lächeln getäuscht hatte. Doch alles, was ich erwidern konnte, war: 
„Entschuldigen sie, dass ich gefragt habe.“

Während ich meiner Kleinen die Schuhe anzog, schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf: Was ist da gerade passiert? War die Frage falsch gestellt, war das eine Frage zu viel? Ist die Frau mit dem falschen Fuß aufgestanden? Oder bin ich einfach nur auch ein Sensibelchen? 

Da  kam die Spielgruppenleiterin nochmal auf mich zu. 
„Herr Tabula, so war das doch gar nicht gemeint. Sie können mich natürlich alles fragen.“ 

 

Die Antwort lautet Port Moresby

„Ach, ja?“, fragte ich. 
„Dann nennen Sie mir die Hauptstadt von Papua Neuguinea?“
Kurze Pause. Keine Antwort. 
„Sehen sie? Ich kann sie eben nicht alles fragen. Weil sie eben nicht alles wissen. Alles kann ich Google fragen, aber wie es meiner kleinen Tochter heute in der Spielgruppe erging, kann ich nur sie fragen, und ich frage sie das nur, weil ich meine Kleine hier weinend hinterlassen habe. Und als Antwort erwarte ich von ihnen auch kein stundenlanges Feedback, sondern nur ein kurzes: Alles war gut. Das hätte schon gereicht, Sie Rabenerzieherin“, hätte ich gerne zur ihr gesagt. 

Stattdessen habe ich „Alles gut“ gesagt und bin mit meiner Kleinen zum See gefahren, wo wir Sandkuchen gebacken haben. Denn neben sensiblen Menschen gibt es auch die Unsensiblen,  und es bringt absolut gar nichts, auf die sensibel zu reagieren, weil die das eh nicht verstehen würden. Und schließlich bin ich auch kein Helikopter, der mit seinen Rotorblättern Raben zerfetzt, sondern ein Leuchtturm, der schräge Vögel gelassen an der Fassade abprallen lässt. 

 

Mate Tabula ist Autor, Texter und Geschichtenerzähler aus Germering bei München. Er hat ein Frau, zwei Töchter und eine Schilddrüsenunterfunktion. Mehr über ihn und sein Leben erfahrt ihr hier