Es war nicht alles schlecht am Leben „vor den Kindern“ (vdK in der Zeitrechnung von Eltern). Papablogger Andreas Clevert erinnert sich mit Wehmut an die Zeit, als er einfach mal so einen Weinladen besuchen konnte und hemmungslos kosten durfte.
Mein Jacques Weindepot – melancholische Gedanken an ein Leben vor den Kindern
Kürzlich habe ich mal wieder eine Flasche Wein aufgemacht. Und wurde ein bisschen nostalgisch. Klar, die Weinpalette bei Lidl wurde kürzlich aufgepeppt, sieht man schon an den ungewohnten Holzkisten. Ich vermute ja, das ist kein Holz, sieht nur so aus, hatte aber beim Einkaufen noch nie die Zeit, das haptisch zu testen. Überhaupt: Keine Zeit. Früher (Sie müssen sich das mal selber sagen "Früher", also ohne Kinder, als die Stadt noch Kneipen hatte und die Wege dorthin keine Gefahrenquellen waren, sondern einfach Wege) hatte ich noch Zeit und wäre nie auf die Idee gekommen, bei Lidl oder sonstwo eine Flasche Wein mitzunehmen. Nee, da ging ich immer zu Jacques Weindepot. So tun, als würde man sich auskennen, sich durch die Weine probieren. Ganz cool, nie leer trinken, immer was stehen lassen, Glas gegen das Licht und so. Ach, war das herrlich. Brot zwischendurch kauen, zur Geschmacksneutralisierung. Und egal zu welcher Uhrzeit man dort war (die machen ja meistens nur nachmittags auf und nennen das die "ungewöhnlichen Offnungszeiten" - ich meine eher, die wollen das Viertel von Vormittagssäufern frei halten), immer torkelte man dann doch leicht angetrunken und natürlich mit jeder Menge Weinkisten nach Hause. Das ist ja das eigentliche Geschäftsmodell von Jacques Weindepot: Die Kaufneigung steigt proportional zum Alkoholspiegel im Blut. Naja, gone and away. Hoffe mal, dass es die Kette noch gibt, wen ich Opa bin. Dann kann ich ja mal wieder ungeniert.
Väter müssen einfach Opfer bringen
Auf dem Weg vom U3-Kindergarten nach Hause, da komme ich an einem solchen Depot vorbei. Immer mit Nummer 3 auf dem Radsitz. Er kennt den Weg schon, schreit schon laut "pan, pan" (= spanisch für "Brot" und damit selbstredend einfacher auszusprechen als das deutsche Wort), wenn wir in diese Straße einbiegen. Und ein bisschen seufzend halte ich vor der Bäckerei, erfülle die Wünsche des Nachwuchses und schaue nur aus den Augenwinkeln ein wenig traurig auf das Jacques Weindepot schräg gegenüber der Bäckerei. Kann ich doch nicht machen, mit einem Kleinkind da aufzulaufen und zudem noch torkelnd wieder raus. Man hat ja noch Anstand. Auch wenn das manchmal schwer fällt. Naja, denke ich mir gerade und schaue nicht so richtig befriedigt in das Rubinrot meines Lidl-Weines. Wir Väter müssen einfach Opfer bringen.
zum Autor:
Andreas Clevert, Jahrgang 1970, ursprünglich aus Esslingen stammend, lebt mit seiner spanischen Frau und seinen drei Jungs/Söhnen (*2008, *2010 und *2013) in Bonn. Mehr von seinen Erlebnissen lesen Sie unter www.vaterdasein.wordpress.com