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Papas Geburtstag im Freibad

Frage:
Kann man seinen eigenen Geburtstag schöner feiern, als mit seiner geliebten Familie im Freibad?
Antwort:
Ja, man kann, wie die folgende Geschichte beweist …

„Lass uns zu deinem Geburtstag doch mal mit den Kindern ins Freibad gehen“ schlug meine Frau vor. Super, viel besser als eine feuchtfröhliche Grillparty mit Freunden. Diesen ganz winzigen Anflug von Ironie behielt ich allerdings für mich. Ich bin kein Fan von Freibädern - das muss man wissen.  
„Prima, eine gute Idee - ist mal etwas anderes“ antwortete ich ihr halbherzig. Hätte ich es mal lieber nicht getan …


Der Einlass

Und so geschah es, dass wir uns am nächsten Tag zu viert auf den Weg in die örtliche Badeanstalt begaben.

Es war recht heiß an diesem Dienstag. Geschätzte 30 Grad im Schatten waren der Garant dafür, dass wir uns im Eingangsbereich nicht einsam fühlten. So an die 40 Badegäste begehrten vor uns Einlass. Und der Ticketverkäufer schien nicht nach Umsatz, sondern nach Zeit bezahlt zu werden. Denn die nahm er sich. Ich erwähnte, dass es heiß war? Etwa eine halbe Stunde alterte ich an meinem 39. Geburtstag in der prallen Sonne. Schwitzend, fluchend und schon wieder um einiges näher an der magischen „40“ hielt ich schließlich die begehrten Eintrittskarten in der Hand.

Nun nur noch das elektronische Drehkreuz mittels Ticket überwinden und ab ins Wasser. Dachte ich zumindest. Während meine Familie problemlos passieren konnte, bewies der liebe Gott bei mir, dass er viel Humor hat. Und zwar in Form eines kleinen Mädchens mit Zöpfen direkt am Eingang. Etwa vier Jahre alt und von Langeweile getrieben, machte sie sich einen Spaß daraus, für mich zu drehen. Wohlgemerkt, ich kam nicht mit durch. Prima, Ticket entwertet und ich immer noch draußen. Jetzt war mir nicht nur heiß, sondern ich kochte. Innerlich.

Bepackt mit zwei Rucksäcken, einem Sonnenschirm und einer Batterie Decken und Handtücher war ich auch nicht sonderlich agil. Einfach leichtfüßig drüberzuhüpfen war keine Option.

Papa, das Familien-Muli, musste zurück an die Kasse, den Umstand erklären und erneut um Einlass bitten. Wenigstes das ging problemlos.

Drinnen erwartete mich schon meine ungeduldige Frau, die inzwischen unserem zweieinhalbjährigen Sohn hinterhergejagt war. „Warum trödelst du denn so?“ fragte sie mich. „Ist dir nicht auch warm?“ 


Freie Platzwahl

Nach kurzer Erklärung, bei der ich nicht mit Flüchen sparte, versuchte ich, mich zu orientieren. Doch ich sah kein Wasser. Ich sah nur Menschen. Viele Menschen. Es müssen Tausende gewesen sein. Oder noch mehr. Auf jeden Fall die halbe Stadt. Wie sollten wir hier einen Platz finden? Ich befürchtete, stehen zu müssen.
Doch nach einem nur etwa zehnminütigen, strammen Fußmarsch entdeckten wir hinten, am Babyschwimmbecken, nahe einer Brombeerhecke, ein schattiges Plätzchen, welches offenbar nur für uns reserviert zu sein schien. Merkwürdig. Aber Glück für uns.
Während meine Frau und die Kinder flink ins Wasser eilten, schälte ich mich langsam aus meinen Klamotten.

Seit geraumer Zeit tarne ich meinen Waschbrettbauch mit einer kleinen Schutzschicht. Nicht viel, aber etwas. Und ich halte eigentlich nichts davon, dies publik zu machen. Allerdings stellt sich in einem Freibad die Frage nach Ästhetik gar nicht. Denn hier tummeln sich sämtliche Gewichtsklassen. Von der „Ichbinnichtmagersüchtigaberichkannessenwasichwillichnehmnichtzu“- Frau bis hin zu kläglich gescheiterten Weight Watchers - Existenzen war alles vertreten. Und, Sie kennen das bestimmt, gerade Letztere bestechen nicht nur durch große Wasserverdrängung, sondern auch durch besonders knappe Badebekleidung und offensives Auftreten. Aber das nur am Rande.


Pulleralarm

Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf einen Vater mit seinem Sohn auf dem Arm, der hurtig an mir vorbeieilte. „Hier kannst du pullern“ hörte ich ihn sagen. Fünf Meter von mir entfernt ließ sich sein Nachwuchs nicht lange bitten und strullerte fröhlich los. „Fein gepullert“ lobte ihn der Vater nach vollbrachter Tat und schlenderte, nun gemächlich, wieder an mir vorbei.  Keine zwei Minuten später das gleiche Spiel. Anderer Vater, anderes Kind, die gleichen Sätze: „Hier kannst du pullern. – Fein gepullert.“ Abstand zu unserer Decke nun: drei Meter!

Und so langsam dämmerte es mir, dass wir unser Lager neben dem inoffiziellen Klo für kleine Wasserratten aufgeschlagen hatten.

Der Deutsche an sich grenzt sich ja gerne ab. Ob auf dem Campingplatz oder am Strand. Mangels örtlicher Alternativen tat ich das jetzt ebenso. Aber nicht, um unser Revier zu markieren, sondern um nicht selbst markiert zu werden. Ich errichtete einen beachtlichen Schutzwall aus Handtüchern und Schuhen rund um unser Lager. Es war kein Wunder, dass wir an diesem verträumten Ort so allein waren. Jeder wusste offenbar Bescheid - nur uns hatte das keiner gesagt.


Kleine Störenfriede

Obwohl, so ganz einsam war ich gar nicht. Zu mir gesellten sich nach und nach jede Menge flinker Ameisen, die unseren Proviant plündern wollten, sich paarende Feuerkäfer, die unsere Handtücher für eine Orgie missbrauchten und eine Handvoll Marienkäfer, die mit waghalsigen Flugmanövern bei mir zu punkten versuchten.

Ich flüchtete. Hin zu meinem Sohn, der derweil im Babyschwimmbecken sein Unwesen trieb und andere Kinder durch heftige Spritzattacken zum Weinen brachte.
Da stand ich nun. Inmitten von etwa zehn Zentimeter tiefem Wasser und einer Horde kleiner Badeliebhaber, die mit ihren Spritzpistolen ganz besonders gern auf die erwachsenen Neuankömmlinge zielten. Nur einmal konnte ich ausweichen.

Ich will es kurz machen. Unsere Kinder hatten riesigen Spaß und für sie verging die Zeit wie im Fluge. Nicht für mich. Die Stunden zogen sich wie der Kaugummi, mit dem mein linker Schuh am Ende auch noch Bekanntschaft machte. Ich pendelte die meiste Zeit zwischen Planschbecken und Schwimmerbecken hin und her, in welchem meine Tochter ihre Schwimmkünste zu verbessern versuchte. Luftlinie etwa 200 Meter, immer im Wechsel mit meiner Frau. Von Erholung keine Spur.
Um die ganze Sache rund zu machen, entdeckte mein Sohn zum Schluss eine uns bis dato unbekannte Beerensorte, die er zwar nicht aß, aber mit den Händen so zerdrückte, dass diese anschließend gänzlich zinnoberrot waren. Und richtig farbecht.


Richtig wichtig

Abends dann, mit einem Glas Rotwein in der einen und meiner Frau in der anderen Hand, dachte ich noch einmal über die vergangenen Stunden nach. Es war nicht ganz die Geburtstagsfeier, die ich mir vorgestellt hatte. Aber es war ein weiterer Tag mit meiner Familie, die wir komplett zusammen verbracht haben. Noch viele solcher Tage liegen vor uns. Doch irgendwann werden unsere Kinder größer und gehen ihre eigenen Wege. Dann werden diese Ausflüge immer seltener werden. Und in ein paar Jahren werde ich mir vielleicht auch solche Tage wie diesen zurückwünschen.

Letztlich ist die gemeinsame Zeit mit meiner Familie das größte Geschenk für mich. Ob nun mit Geburtstag oder nicht. Und ich werde weiterhin jeden Tag genießen, den wir zusammen verbringen können.

Auch wenn ich an meinem nächsten Ehrentag sicher keine Badehose tragen werde …

 


Der Autor:
Daniel Polzer arbeitet als freiberuflicher Texter und Werbetexter.
Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Leipzig.