Mit dem Stolz ist das ja so eine Sache. Der Begriff als solcher ist eingefärbt mit den düsteren Farben der dunklen Vergangenheit und wird daher in Deutschland nur sehr vorsichtig verwendet. Das ist sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle sinnvoll und ratsam. Doch Vaterstolz ist etwas anderes und muss nicht mit Vorsicht genossen werden. Dieses Gefühl ist überwältigend und vor allem: berechtigt.
Vaterstolz: Ein ganz besonderes Gefühl
Das Gegenteil von Stolz? Schwer zu sagen, aber sicherlich gehören die Aussagen „Sieh nur, was Deine Tochter wieder angerichtet hat“ oder „Typisch: Dein Sohn“ zu der Kategorie des Gegenteils von Stolz. Passieren Dinge, die man sich überhaupt nicht wünscht, ist das Kind das der Partnerin oder des Partners. Ganz anders, wenn es um Stolz erzeugende Dinge geht. Doch Vaterstolz entsteht nicht nur dadurch, dass der Nachwuchs etwas richtig oder besonders gut macht. Vaterstolz kommt von innen.
Vor dem Kind kommt der Stolz
Es mag ein bisschen kindlich wirken, aber der Vaterstolz beginnt meist schon, bevor das Kind das Licht der Welt erblickt hat. Es mag nicht nur kindlich wirken, es kann sogar einen altertümlichen Eindruck erwecken, wenn der werdende Vater stolz auf den Mutterpass der Partnerin blickt oder der Welt mitteilt (ob die das will oder nicht), dass er Nachwuchs bekommt. Dennoch hat ein Mann etwas erzeugt, gezeugt, etwas, von dem er instinktiv weiß, dass es etwas ganz Besonderes ist. Dabei mag eine Rolle spielen, dass neues Leben entsteht. Vielleicht sogar der Ur-Instinkt, seinen Samen weiterzutragen. Hauptsächlich aber ist es ein Gefühl unfassbar starker Liebe, das nicht erklärbar ist. Und trotzdem – oder gerade deshalb – so unglaublich schön. Und das, obwohl das Kind noch gar nicht da ist!
Der Stolz in den Händen
Es ist ein Moment, der nicht zu beschreiben ist. Man muss erst eine Geburt erlebt haben, um begreifen zu können, was in einem Vater vor sich geht. Dabei steht letztlich gar nicht die Frage im Raum, ob es sich bei den überwältigenden Gefühlen um Stolz handelt oder ob es etwas anderes ist. Doch viele Väter bringen tatsächlich nur einen Satz heraus, wenn Sie das kleinen Lebewesen das erste Mal in den Händen halten, darauf und blicken und leise hauchen: Ich bin so stolz. Genau betrachtet ist das keine logische Handlung, ein Mann hat ein Kind gezeugt, ist nun bei der Geburt dabei und verkündet das Gefühl des Stolzes. Nüchtern betrachtet hat er nur das getan, was die Natur für ihn vorgesehen hat. Aber wer will und kann die Geburt des eigenen Kindes schon nüchtern betrachten? Sicherlich niemand.
Vaterstolz durch Leistung
Natürlich ist der Vaterstolz, den man empfindet, weil das eigene Kind das eigene Kind ist, nur eine Seite des Gefühls. Es gibt auch den Stolz, der entsteht, wenn das Kind etwas besonderes vollbringt. Im Laufe des Lebens verändern sich die Dinge, die uns mit Stolz erfüllen. Zunächst sind es die kleinen Dinge, die uns groß erscheinen – das Kind geht das erste Mal allein aufs Töpfchen, es lernt Laufen und beginnt, mit dem Löffel zu essen, ohne die ganze Küche mit Lebensmitteln zu schmücken. Später kommen andere Dinge hinzu, die uns mit Vaterstolz erfüllen. Gute Leistungen in der Schule gehören dazu, aber auch soziale Kompetenz oder Fähigkeiten, die wir erst Schritt für Schritt an unseren Kindern entdecken. So wird jeder Vater stolz sein, wenn der Nachwuchs sich als sportlich begabt erweist oder Talent beim Erlernen eines Musikinstruments an den Tag legt.
Nicht immer ist Vaterstolz gerechtfertigt
So wie wir oben festgestellt haben, dass der Nachwuchs vornehmlich der der Partnerin ist, wenn er sich daneben benimmt, so ist es auch umgekehrt so, dass besondere Fähigkeiten oder Begabungen gern auf den stolzen Vater geschoben werden. Zumindest, wenn man ihn selbst danach fragt. Tatsächlich ist das jedoch keinesfalls zwingend so. Deutlich wird das an einem Beispiel:
Ein Mann, der herausragende Fähigkeiten hat, wenn es ums Rechnen geht, wundert sich, wo das bloß herkommen mag. Weder seine Mutter noch sein Vater zeigen außergewöhnliche Fähigkeiten im Umgang mit Zahlen. Trotzdem reift der Mann im Laufe seines Lebens zu einem wahren Experten heran, studiert Mathematik und schlägt auf dem Gebiet der Zahlenlehre einen beachtlichen Weg ein. Erst im Laufe der Zeit und nach vielen Gesprächen mit seinen Eltern wird klar, woher die Begabung kommt. Es war der Großvater, der eine ähnliche Begabung hatte wie der junge Mann, der heute seine Eltern befragt. Die Mutter erinnert sich ganz deutlich, dass der Großvater zwar beruflich nichts mit Zahlen zu tun hatte. Doch in seiner Freizeit löste er komplizierte Aufgaben und freute sich jeden Tag aufs Neue über die Logik und die Axiome der Mathematik.
Letztlich ist es egal, ob der Vaterstolz ein „richtiges“ Gefühl ist oder nicht. Wenn das Kind Dinge kann oder lernt, die einen Vater glücklich machen, dann freut er sich. Und wird zwangsläufig stolz auf den Nachwuchs. Das ist ja gerade das Einzigartige am Vaterstolz – er kommt zustande, wenn das Kind etwas Besonderes schafft. Und das beginnt bei der Geburt, an der der Vater ja nun wahrlich keinen praktischen Anteil hat. Stolz sein darf er trotzdem.