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Was macht Papa eigentlich beruflich?

Was ist der Unterschied zwischen einem Bäcker und einem Werbetexter? Der Bäcker kann seinen Kindern den Beweis seiner täglichen Arbeit ganz einfach auf den Tisch liegen: frisch gebackenes, köstlich duftendes Brot. Aber was macht ein digitaler Nomade?

Mal ganz abgesehen davon, dass sowohl Bäcker als auch Texter viel mit heißer Luft arbeiten: 

Ab und zu bin ich als Vater schon neidisch auf die analogen Helden unter den Erwerbstätigen. Ertappe mich das ein oder andere Mal bei dem Wunsch, mit dem Traktor vom Feld heimzufahren und die Kinder hinter mir auf dem Heuwagen toben zu sehen. Oder als Tischler in der Werkstatt ein Möbelstück zu fertigen und für die Kids die einzelnen Arbeitsschritte sichtbar und erlebbar zu machen. 

 

Aber gut, habe nun mal nichts Anständiges gelernt ... 

Bin in der Werbung gelandet und steigere mit schriftlichem Nachdruck erst das Haushaltseinkommen und dann das Bruttosozialprodukt. Was angesichts meiner zwei linken Hände sicherlich keine schlechte Wahl war. Keiner hat was davon, wenn ich schwammiges Brot backe, mit dem Traktor gegen eine Kuh fahre oder mir an der Kreissäge gröbere Verletzungen zufüge. 

Als mich meine Größere damals im Alter von Drei das erste Mal fragte, was ich denn für einen Beruf hätte, antwortete ich aus meiner Sicht wahrheitsgemäß und kindgerecht: "Ich bin Geschichtenerzähler". Dass meine Art von Geschichten eher mit dem Aufbau von Markenwelten als mit dem Bezwingen von Drachen, Hexen oder Grüffelos zu tun hat, verschwieg ich im ersten Moment. Und auch dass das österreichische Pendant "Gschichtldrucker" mit "Baron Münchhausen" noch gnädig zu übersetzen wäre.

 

"Papa, ich hasse Werbung ..."

... sagte meine ältere Juniorin einige Zeit später zu mir. Diese Einschätzung teile ich bis zu einem gewissen Grad, da an schlechtem und penetrantem Marketing ja nun wirklich kein Mangel auf dieser (digitalen wie analogen) Welt herrscht. Gemeint war von der Tochter aus aktuellem Anlass die Reklame auf Youtube, die den jungen Usern vor Abspielen des Barbie Videos aufgedrückt wird. Trotzdem wollte ich diesen Makel an negativem Branchenimage nicht auf mir sitzen lassen und zeigte ihr ein paar bunte Anzeigen und Spots, an denen ich mitwirken durfte. Zu meiner Erleichterung wurde das Portfolio auch vom Nachwuchs für (halbwegs) gut befunden. 

 

Der Bäcker knetet den Teig, der Tischler hobelt das Holz, der Texter hämmert ...

... auf die Tastatur seines Laptops. Das ist das Bild des arbeitenden Papas, das meine Kinder von mir haben. Konzentriert auf den Bildschirm starrend, manchmal geistesabwesend und einfallsuchend aus dem Fenster in die Ferne glotzend, manchmal mit Kapselgehörschützern ausgestattet, um auch mitten im Kinderspiellärm der Marktwirtschaft dabei zu helfen, dass die Nachfrage der Konsumenten auch wirklich niemals versiegt. Dass man dabei auch zwischendurch kurz den ein oder anderen Analyse-Prozess im Geiste durchspielen muss und kreative Einfälle nicht wie bei einer Melkmaschine einfach in den Eimer sprudeln, ist für die Kinder von außen nicht ersichtlich. Papa sieht beim Arbeiten gleich aus, wie wenn er Fußball guckt oder einen Schinken-Käse-Toast isst. Relativ konzentriert, und keineswegs schwermütig oder angestrengt. Also rein äußerlich erst mal kein großer Unterschied zwischen Freizeit und Arbeit.

 

Dies vorab nur zur Erklärung für den unfassbaren Kommentar meiner Tochter.

Ich muss hier und jetzt ein Geständnis ablegen. Halten Sie sich fest. Ob Sie es glauben oder nicht: Meine Tochter, die aktuell die zweite Klasse der Grundschule besucht, macht nicht immer gerne Hausaufgaben. Sie tanzt nicht ständig freudestrahlend mit dem Übungsheft durch die Wohnung, ab und zu ist durchaus auch Missmut und Ärger über das pädagogische Schicksal erkennbar, wenn sie zum Beispiel so ihre Rechenbeispiele löst. 

Eines Tages ergab es sich, dass ich am Laptop an einer ziemlich komplizierten Kampagne tüftelte, während die Vorzeigeschülerin neben mir am Tisch saß und mit der Aufgabe gerade ebenso kämpfte wie mit ihrer Motivation. Da wollte ich ihr einen kleinen psychologischen Anstupser geben und sagte zu ihr: 

„Siehst du, ich mach hier meine Hausaufgabe, du machst eben deine Hausaufgabe.“ 

Die Antwort meiner Tochter:

„Ja schon, aber du musst dabei nichts denken!"

 

Christoph Bauer ist Vater von zwei Töchtern (4 und 8). Er arbeitet als freier Texter, Autor und Redakteur. Mehr auf www.christoph-bauer-text.com