© annadanilkova22 - Fotolia.com

Streit unter Kindern – Wann sollen Eltern sich einmischen?

Wo Kinder sind, da gibt es auch Zwistigkeiten. Das betrifft die Familie ebenso wie Kindergarten oder Spielplatz. Geraten Kinder in Streit, ist es für Erwachsene - insbesondere die Eltern - oft schwer, zu erkennen, wann Einmischung Sinn macht. Einerseits will das Austragen von Konflikten gelernt sein, andererseits brauchen Kinder auch Schutz.

Konfliktkompetenz ist wichtiger denn je, wird aber leider immer seltener gepflegt. Helikoptereltern, die ihre Kinder um jeden Preis schützen und Schulen, die Konflikte unterdrücken, damit Ruhe herrscht und der Ablauf funktioniert, sind nur zwei Gründe dafür. Dabei ist Streiten eine der wichtigsten Kernkompetenzen im sozialen Kontakt. Nach dem Motto „Früh übt sich, wer ein Meister werden will“ sollten Kinder also von klein auf lernen, wie das Streiten geht. Das setzt voraus, dass Erzieher und Eltern die Füße stillhalten und nur eingreifen, wenn es wirklich nötig ist.

 

Neutral bleiben – Eltern als Moderator

Oft verpassen Erwachsene den eigentlichen Anfang eines Konfliktes und werden erst aufmerksam, wenn der Streit bereits deutlich sichtbar in Gange ist. Umso wichtiger ist es deshalb, neutral zu bleiben und sich nicht auf die Seite eines Kindes zu schlagen. Ist ein Eingreifen unumgänglich – zum Beispiel, weil es zu unangemessenen Handgreiflichkeiten kommt oder eines der Kinder sehr in die Enge getrieben ist, ist Neutralität noch viel wichtiger. Als Erwachsener können Sie auf eventuell festgelegte Streitregeln hinweisen und notfalls unter Körpereinsatz zwischen die Streithähne treten, um zu deeskalieren. Vermeiden Sie möglichst, sich mit einem der Kinder zu verbünden und sozusagen mitzustreiten.

Konfliktkompetenz lernen

Kinder stärken ihre Kompetenzen durchs selber-machen, das gilt auch fürs Streiten. Wenn Eltern versuchen, die Konflikte für die Kinder zu lösen, bringt das zwar akut Entspannung, der Lerneffekt bleibt allerdings aus. Also heißt die Methode: Lassen Sie Ihre Kinder streiten, was das Zeug hält. Widerstehen Sie möglichst auch dem Impuls, dem scheinbar schwächeren Kind allzu schnell zur Seite zu stehen. Beobachten Sie einen Streit zwischen Kindern, bleiben Sie aufmerksam dabei – denn manchmal ist Eingreifen eben doch nötig. Um Kindern den Freiraum zu schaffen, mit Streit eigenverantwortlich umzugehen, sollten Sie folgende Tipps beherzigen:

  • Verzichten Sie auf Schimpfen, Schuldzuweisungen und Sätze wie „Der Klügere gibt nach.“
  • Versuchen Sie nicht, den Streit durch Autorität zu unterbrechen: „Hört jetzt sofort auf zu streiten, sonst …!“
  • Sehen Sie unangebrachtes Verhalten wie Schläge oder Handgreiflichkeiten, benennen sie diese, aber bewerten Sie nicht (auch nicht im Tonfall!): „Ich habe gesehen, wie Du nach Deiner Schwester getreten hast.“
  • Hören Sie jedes Kind in Ruhe an. Bei einem Streit haben alle Beteiligten das Recht, ihre Sicht der Dinge zu äußern.
  • Wiederholen Sie die Aussagen der Kinder und fragen Sie nach, ob Sie es richtig verstanden haben.
  • Fragen Sie jedes Kind, was für es eine gute Lösung des Streits wäre.

Bis Kinder diese Art der Konfliktkompetenz eingeübt haben, braucht es auf Ihrer Seite viel Zeit und Gelassenheit. Und leider wird sich – für Sie unangemessenes – Streitverhalten womöglich in der Pubertät noch einmal einstellen. Fürs Leben geben Sie Ihrem Kind allerdings ein Handwerkszeug mit, dass es als Erwachsener später sicher zu benutzen weiß.

Streit auf dem Spielplatz

Auf dem Spielplatz ist die Situation insofern besonders, da einander fremde Kinder in Streit geraten dürfen. Wer darf als erstes rutschen, wem gehört das Sandförmchen. Die Regeln sind im Grunde die Gleichen. Greifen Sie erst ein, wenn eines der Kinder deutlich in Bedrängnis gerät, zum Beispiel, weil es mental oder körperlich schwächer ist. Auch wenn mehrere Kinder sich gegen eines verbünden, ist es Zeit zu handeln. Besonders dann, wenn Ihr Kind von einem anderen angegangen wird, sollten Sie einen klaren Kopf bewahren und sich wenn möglich, lieber an dessen Eltern wenden als selbst einzugreifen.

Streitregeln, die funktionieren

Streiten muss sein! Doch es ist hilfreich für die Kinder und deren Schutz, einige Regeln aufzustellen. Im „friedvollen“ Zustand besprochen, ist auch das ein wichtiger Teil der Streitkompetenz. Müssen Erzieher oder Eltern anfangs an die gemeinsam aufgestellten Regeln erinnern, verinnerlichen sich die Kinder diese mit der Zeit selbst. Folgende Festlegungen machen Sinn:

  • Keine Handgreiflichkeiten, es wird nicht mit Gegenständen geworfen!
  • Streitigkeiten müssen eins zu eins ausgetragen werden, es dürfen sich nicht mehrere Kinder auf eines stürzen!
  • Rangeleien und körperliche Auseinandersetzungen dürfen nur zwischen gleich starken Kindern stattfinden!
  • Stoppwörter müssen in jedem Fall gelten!
  • Gemeinheiten und Beschimpfungen sind nicht erlaubt!
  • Aufgeben darf sein und ist keine Schande!
  • Schön ist eine Einigung am Ende des Streites, es muss aber nicht sein!

Diese Regeln funktionieren bereits im Kleinkindalter und machen besonders dann Sinn, wenn Kindergruppen täglich miteinander zu tun haben - also in Kindergarten oder Schule. Dort können auch ein oder mehrere Kinder als Mediatoren geschult werden. Die Kinder erhalten damit ein Werkzeug an die Hand, Streitigkeiten und Konflikte auch ohne Erwachsene konstruktiv zu lösen. Auch beim Geschwisterstreit – der in vielen Fällen deutlich heftiger abläuft – machen diese Regeln Sinn.