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Kinder – Spiegel des Selbst

Wer hat sich nicht schon einmal selbst in seinen Kindern wiederentdeckt? In kleinen Gesten, mehr noch aber in Sprüchen, Redewendungen oder Flüchen. Das sind Situationen, in denen man lächelt oder auch mal schluckt. Mate Tabula fragt sich manchmal, ob er die Erziehung seiner Töchter richtig angeht. Und dann zeigen ihm seine Kinder, dass er sicher nicht ganz falsch liegt …

Kinder sind die besten Spiegel des eigenen Selbst. Neulich morgen sagte meine Kleine zu mir: „Morgen Papa, was geht ab?“ Ich so: „Nicht viel, und bei dir?“ Sie so: „Kindergarten geht ab.“ Eins zu eins spreche ich so mit Freunden, nur, dass statt Kindergarten Arbeit, Krankheit, Kino, Urlaub oder Ähnliches abgeht. 

Manche Eltern sagen gerne Sachen wie: „Also die Nase hat er von mir, und die Augen vom Vater.“ Über meine Große kann ich nur sagen: „Das „Fuck“ hat sie von mir und das „Shit“ eindeutig von der Mama.“ Gestern hat sie ihre Schulsachen gesucht mit den Worten: „Wo ist nur diese verdammte Hausaufgabenmappe.“ 

Sie sucht so, weil ich so immer den verdammten Autoschlüssel suche. Ich bin ihr Vorbild, warum sollte sie es anderes machen? „Große“, sage ich, „was sind das für Worte?“ Darauf schmunzelt sie, so als ob sie das „verdammt“ ironisch verwendet hat, um mir einen Spiegel vor zu halten. Sie ahnt, das Wort gehört nicht zum kindlichen Wortschatz.  

 

Wer wen fertig macht 

Wenn mich beide ärgern, sage ich Sätze wie: „Schluss jetzt. Dieses Verhalten dulde ich nicht. Wenn das so weitergeht, hagelt es Strafen. Ihr macht euch jetzt fertig, sonst mache ich euch fertig.“ Sätze, die man halt sagt, wenn die Kinder einen fertig machen. Wer solche Sätze noch nie zu seinen Kindern gesagt hat, verfasse den ersten Kommentar. 

Keine Sorge, ich kriege alles zurück - ungefiltert und direkt. Tage später sagt die Kleine, wenn ich ihr nicht sofort „warme Milch in einem Flaschi bringe“, dass sie dieses Verhalten nicht dulde und es gleich Strafen hageln wird. Meine Große wirft sich auf mich, schmeißt mich um, drückt mich zu Boden und sagt, während sie mir in die Schultern boxt, dass sie mich jetzt fertig machen werde. Ich lasse es geschehen und tue so, als ob sie stärker sei. #FemaleEmpowerment. 

Gleichzeitig schmunzle ich in mich hinein und reflektiere mein Verhalten. Vielleicht sollte ich nicht so viel vor ihnen fluchen, nicht mehr so viel mit ihnen aus Spaß raufen und in ihrer Gegenwart kindgerechtere Musik hören. Zur Zeit hören wir das neue Album von Thees Uhlmann. Die Kleine singt gern eine grandiose Zeile aus dem Song „Aviccii“ mit. „Du wartest auf die Liebe und ich auf das nächste Bier“. Ein dreijähriges Mädchen wartet auf das nächste Bier. Das macht mich fertig. Und irgendwie auch ziemlich glücklich. Das schaffen Kinderlieder nicht.

Sicher. Die Erziehung meiner Kinder könnte ich durchaus ernster nehmen. Ich gebe mir Mühe, aber ich bin kein Übervater. Folglich habe ich mich schon oft bei ihnen für mein schlechtes Benehmen entschuldigt. Gelobt, dass ich ab sofort besser auf sie höre. Versprochen, dass ich ihnen nicht mehr so viel Unsinn erzähle. Wäre auch besser für mich. Weil es nämlich echt schwer ist, von „Quatsch machen“ zu „Autorität Zeigen“ zu wechseln. 

 

Ich bin Eltern. Ich habe die Macht. 

Wenn Schlafenszeit ist, wir vorher ausgiebig geblödelt haben, und ich irgendwann streng sage, „Jetzt ist aber Schluss“, äffen beide mich nach: „Jetzt ist aber Schluss, jetzt ist aber Schluss. Jetzt ist Schluss, weil ich es sage. Ich bin der Eltern und ich habe die Macht. Hoho, ho ho ho.“ Meist erkenne ich die Ironie darin und gebe mich geschlagen, lache mit. Über die Tage, an denen es nicht so ist, schweigen wir hier mal großzügig.

Doch was ich auch tue und sage, erstens entwickeln sich meine Mädels anders, und zweitens, als ich denke. Wenn ich meine Große von der Schule abhole, bringen wir auch immer ein Mädchen aus der Mittagsbetreuung sicher über die Straße. Letztes Mal war das Mädchen ganz traurig, weil sie in der Mittagsbetreuung die Hausaufgabe nicht machen konnte, weil sie diese nicht kapiert hatte. „Es ist so schrecklich, ich begreife sie einfach nicht“, hat sie uns panisch berichtet. Von wem sie diese Panik wohl hatte? 

Noch bevor ich sie trösten konnte, sagte meine Tochter: „Keine Sorge, nicht so schlimm. Deine Eltern helfen dir bestimmt.“ Ich strahlte innerlich. Besser hätte ich es auch nicht formuliert. Und so ganz verkehrt scheine ich sie nicht zu erziehen, dachte ich. Kinder sind die Spiegel des eigenen Ichs. Wir sollten schauen, dass wir uns gut in ihnen reflektieren. 

 

Mate Tabula ist Autor, Texter und Geschichtenerzähler aus Germering bei München. Er hat ein Frau, zwei Töchter und eine Schilddrüsenunterfunktion. Mehr über ihn und sein Leben erfahrt ihr hier