Kinder verändern ihre Eltern - das ist ganz klar. Aber welchen Einfluss hat das Geschlecht der Kinder? Ein Vater zweier Töchter stellt sich die Frage, welche Auswirkung der weibliche Einfluss auf ihn und seinen Blick auf die Welt hat.
Von Mädchen-Papas und Jungen-Mamas – wie das Geschlecht der Kinder die Eltern prägt
Neulich bei der Sportstunde meiner älteren Tochter ist mir eine der Mütter aufgefallen. Sie war anders als die anderen Frauen, die ihre Kinder zum Turnen brachten. Im Vergleich zu den anderen Mamas war sie eher praktisch gekleidet und bestimmt im Umgang mit ihren beiden lebhaften Söhnen. Ich kam mit ihr ins Gespräch und wir redeten über unsere Kinder. Sie erzählte, dass ihre beiden Jungen schon ziemlich energiegeladen seien, aber sie damit gut leben könne und sich auch angepasst habe. Es war ein wirklich schöner Austausch mit einer Mutter von zwei Jungen, bei der es doch ein wenig anders zugeht als bei uns mit unseren beiden Mädchen. Während des Gesprächs dachte ich nochmals, wie sehr sich diese Frau von den anderen Müttern, die um uns herumsaßen, unterscheidet.
Eltern tauchen sehr tief in die Gefühlswelt ihrer Kinder ein
Nach diesem Gespräch war ich nachdenklich. Ich fragte mich als Vater von zwei Mädchen – inwieweit prägt das Geschlecht der Kinder deren Eltern?
Fakt ist:
- Wir Eltern spielen mit unseren Kindern in den meisten Fällen die Spiele, die die Kids auch wollen – und dabei sind sie von Freundinnen bzw. Freunden und der Umwelt beeinflusst.
- Wir bekommen mit, was bei unseren Kindern in Kindergarten und Schule gerade „angesagt“ ist.
- Wir beschäftigen uns mit dem, was unsere Kinder denken, was ihnen durch den Kopf geht, was sie belastet oder woran sie Freude haben.
- Wir ergreifen Partei für unsere Kinder – auch, wenn sie besondere Herausforderungen haben, die mit ihrem Geschlecht zu tun haben mögen.
- Wir machen uns Gedanken um die Zukunft unserer Kinder – zu ihrer Schullaufbahn, einer möglichen Ausbildung und einem späteren Beruf. Aber auch zu Partnerschaften und der Rolle, die sie im Leben spielen sollen. Gerade bei den letzten Punkten überlegen wir uns oft, welche Werte wir ihnen vermitteln wollen.
Zusammengefasst kann man feststellen, dass Eltern sehr tief in das Fühlen ihrer Kinder eintauchen - die Probleme, Herausforderungen, Freuden, Befindlichkeiten. Diese unterscheiden sich von Kind zu Kind, es gibt aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Auf diese Weise taucht man als Vater von Mädchen – oder Mutter von Söhnen – sicher weit tiefer in die Gefühlswelt des anderen Geschlechts ein, als das sonst der Fall wäre und entwickelt so auch ein Verständnis und oft auch Sympathie für die speziellen Herausforderungen von Mädchen – oder Jungen.
Verständnis für die Herausforderungen des anderen Geschlechts
Als Vater von zwei Mädchen ist es mir wichtig, dass meine Töchter später dieselben Chancen haben wie Jungen. Ich bin mir sicher, das geht anderen Vätern genauso. Dadurch, dass es mich über meine Kinder nun persönlich betrifft, bekommt dieses Thema für mich eine ganze andere Relevanz.
In diesem Zusammenhang möchte ich meinen Töchtern Fähigkeiten vermitteln, die ihnen helfen sollen, später auf eigenen Beinen zu stehen und ihre Interessen durchzusetzen. Dazu gehören ein gutes Selbstbewusstsein, die Fähigkeit, mit Argumenten seine Interessen durchzusetzen (statt mit Tränen oder Augenklimpern), eine gewisse mentale Toughness, sowie die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln. Wichtig ist mir auch, dass sich meine Töchter nie von einem Mann abhängig machen – vor allem nicht finanziell.
Wie sich Vater und Tochter gegenseitig prägen
Aber Erziehung ist keine Einbahnstraße. Meine Töchter haben mich umgekehrt auch verändert. Sicher bin ich etwas „weicher“ geworden, gefühlsbetonter. Mit meinen Mädchen setze ich eher auf eine einvernehmliche Lösung und Verhandlungen, als ich es bei Jungen tun würde, die häufig eine klare Ansage brauchen. Meine große Tochter ist – trotz vieler Versuche – nicht so bewegungsfreudig, wie ich mir das gewünscht hätte. So habe ich gelernt, mit Geduld an ihren Rollenspielen teilzunehmen – egal, ob Vater-Mutter-Kind (wobei meine Tochter oft „der Papa“ ist), Kochen, Einkaufen oder Tierarzt. Allerdings überlasse ich das Basteln immer noch gerne meiner Frau …
Als Kontrastprogamm versuche ich immer wieder, die Mädchen für Ballspiele zu begeistern und ihnen auch etwas Wettbewerb näher zu bringen. Die letzte Geburtstagsfeier unserer „Großen“ war eine Piratenparty – statt Prinzessinnen oder Einhörner wie bei ihren Freundinnen – und das war ein toller Erfolg. Wir besuchen regelmäßig Mittelaltermärkte und Lilly liebt es, sich mit mir im Schwertkampf zu messen. Überhaupt toben meine Mädchen und ich oft wild herum – und das gefällt uns allen.
Wofür mir jedoch weiterhin das Verständnis fehlt, ist die häufige Heulerei. Okay, wenn die Kleinen sich wehgetan haben – da haben sie mein volles Mitgefühl und bekommen den Trost, den sie brauchen. Wenn sie übermüdet sind – nicht schön, aber da trägt man vielleicht eine Mitschuld und damit ist dann zu rechnen. Aber zu weinen, um seinen Willen durchzusetzen, das nervt mich wirklich.
Sicher werden auch Mütter durch ihre Söhne geprägt
Ich bin mir sicher, auch Mütter werden durch das, was ihre Söhne beschäftigt, selbst geprägt. Werden sie selbst ein wenig tougher, weil sie in der Erziehung ihrer Jungen häufig klare Ansagen brauchen? Lernen sie, körperbetonter und wilder zu spielen? Entwickeln sie eine Begeisterung für Fußball, ferngesteuerte Autos und vielleicht sogar für Sammelkarten? Mit Sicherheit werden sie jedoch über ihre Söhne mehr Verständnis für die Probleme und Herausforderungen von Jungen entwickeln – auch im Zusammenspiel mit Frauen. Und mehr Verständnis für das andere Geschlecht schadet sicher niemandem.
Was meint Ihr? Prägt Euch das Geschlecht Eurer Kinder? Habt Ihr an Euch selbst und Euren Einstellungen Veränderungen bemerkt? Wir freuen uns auf Eure Kommentare.