© Jürgen Fälchle - Fotolia.com

Verwöhne ich mein Kind zu sehr?

Diese Frage stellen sich Eltern häufig, umso mehr es gutgemeinte Ratschläge von allen Seiten hagelt. Verunsicherung macht sich breit, wenn Großeltern und Verwandte vorm Verwöhnen warnen, als wäre das böses Teufelszeug. Doch wo endet die so wichtige Zuwendung und Bedürfnisbefriedigung und wo wird es zum Verwöhnen?

Werden Kinder überbehütet und allzu sehr mit Geschenken und anderen Zuwendungen verhätschelt, werden kaum Grenzen gesetzt und geht das Wohlbefinden über alles, dann kann man sicher vom Verwöhnen sprechen. Bis es soweit ist, genießen die Kinder jedoch die elterliche Liebe und benötigen sie dringend für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung. Nicht immer ist es ganz leicht, als Eltern die Grenze zwischen Verwöhnen und Zuwendung zu erkennen und einzuhalten. Einige Anzeichen können hier weiterhelfen.

 

Die Generation Kind - verwöhnt auf breiter Front?

Glaubt man einigen Pädagogen, sind unsere Kinder heute generell zu verwöhnt und prädestiniert, sich zu selbstsüchtigen und lebensuntüchtigen Erwachsenen zu entwickeln. Das Ergebnis einer Umfrage, die durch ein bekanntes Familienmagazin initiiert wurde, besagt, dass 75% aller Deutschen der Ansicht der Pädagogen folgen. Oft steht hinter dem scheinbaren Verwöhnen ein echter Mangel - nämlich der an Wertschätzung und Zuneigung. Das Kind wird zwar mit materiellen Gütern oder sogar Vorrechten überhäuft, wird aber nicht in seiner Persönlichkeit gesehen, geliebt und unterstützt. Eltern scheuen häufig die Auseinandersetzung mit dem „Wesen Kind“ und kompensieren diese Unfähigkeit mit anderen Formen der Zuwendung. Das Kind hat davon allerdings recht wenig - und entwickelt sich in der Tat zu einem kleinen unzufriedenen Tyrannen mit ständiger Gier nach mehr - mehr Geschenken, mehr Rechten, aber auch mehr Aufmerksamkeit, echten Grenzen und mehr Liebe.

Das Verwöhnen hat viele Gesichter

Jürgen F. Detering, Psychotherapeut für Kinder und Pädagoge, unterscheidet verschiedene Konzepte des Verwöhnens:

  • Überhäufung mit materiellen Gütern wie Spielzeug, Kleidung oder Süßigkeiten.
  • Ständige Ausnahmen von vorher aufgestellten Grenzen und Regeln.
  • Ständige Unterstützung oder Abnahme aller möglichen Aufgaben, die das Kind auch leicht selbst erledigen könnte.
  • Befreiung von Pflichten, die vorher als Aufgaben des Kindes abgesprochen waren.
  • Abnahme jeglicher Verantwortung des Kindes, zum Beispiel für das eigene Verhalten oder die Position im Familiensystem.

Verwöhnung oder Zuwendung - der feine Unterschied!

Kinder brauchen Liebe und das Gefühl, dass ihnen von den Eltern Wertschätzung entgegengebracht wird. Aufmerksamkeit, liebevolle Unterstützung bei schwierigen Aufgaben und eine konsequente, aber liebevolle Einhaltung der Regeln und Grenzen im Umgang miteinander gehören ebenfalls zur elterlichen Zuwendung dazu. Denn auch die Erziehungsaufgabe ist ein Liebesdienst und damit Teil der so wichtigen Zuwendung. Alle Eltern wissen, dass es oft mühsam ist, dem Kind das rechte Maß an Erziehung angemessen zu übermitteln. Die Aufgabe ist anstrengend, oft sind Erfolge erst Jahre später sichtbar und fast jede Kindheit ist mit einer Vielzahl von Auseinandersetzungen und Disputen durchsetzt. Dahinter steht: Eltern übernehmen die Verantwortung für die Aufgabe, die eigenen Kinder großzuziehen und aufs Leben vorzubereiten.

Beim Verwöhnen wird gerade diese Aufgabe nicht übernommen. Wer seinem Kind alle Wünsche von den Lippen abliest, ihm die Schwierigkeiten des Lebens vorenthält und ihm verweigert, an eigene und fremde Grenzen zu stoßen, der nimmt ihm gleichzeitig die Möglichkeit, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln, indem es an diesen Grenzen wächst. Selbstständigkeit ist dafür eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen, weiterhin müssen Kinder die Gelegenheit haben, aus eigenen Fehlern zu lernen wie auch eigene Erfolge zu genießen.

Zuviel Liebe gibt es nicht!

Zusammen verbrachte Zeit und emotionale Zuwendung kann ein Kind dagegen niemals genug bekommen. In dieser Hinsicht gibt es kein Verwöhnen. Kinder brauchen die Sicherheit, die Liebe bietet und gerade unsere Kleinsten haben oft ein starkes Bedürfnis nach Nähe und Aufmerksamkeit. Hier brauchen Sie sich keine Sorgen machen, dass Ihr Kind durch ein Zuviel “verdorben” wird. Ganz im Gegenteil - je vollständiger ein Säugling oder Kleinkind seine Bedürfnisse nach körperlicher und emotionaler Zuwendung ausleben kann und Eltern diese erfüllen, um so mehr Zutrauen kann es später in andere Menschen, sich selbst und das Leben entwickeln.